Lehrstuhl für Komparatistik
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Diba Shokri, Promotionsstudentin

Tätigkeit: Promotionsstudentin

Studiengänge: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Psychologie, Modern Languages, German Studies

Universitäten: Ludwig-Maximilians-Universität München, University of Oxford, University of Princeton

Stellen Sie Ihre gegenwärtige Tätigkeit kurz vor.

Ich schreibe am Department of German in Princeton an einer literatur-, kultur- und wissenshistorischen Dissertation über Theorien und Praktiken der Selbstbeobachtung um 1900. Dabei interessiert mich vor allem wie (Methoden)begriffe der experimentellen Psychologie in die großen narratologischen Kategorien des 20. Jahrhunderts eingegangen sind.

Mein Alltag sind Selbstbestimmtheit und Selbsterregertum, mit allem, was daran positiv und negativ ist. Im Idealfall kämpfe ich jeden Tag an meinem Schreibtisch mit anspruchsvollen Texten und versuche selbst gut zu schreiben. Das ist meistens unglamourös und beginnt damit, dass ich meine Gedanken anschiebe wie müde Ochsen (Musil). Am Ende ist es unendlich befriedigend etwa Kluges aufgeschrieben zu haben. In Princeton musste ich außerdem zwei Semester lang jeden Tag Sprachunterricht geben. Ich arbeite am liebsten vormittags, vor allem anderen, wenn meine Aufmerksamkeit noch nicht auf alle möglichen Geschehnisse des Tages gelenkt wurde, und am besten mit Oropax in mehrstündigen Zeitintervallen, in denen mich niemand unterbricht.

Dass die kleinste Zeiteinheit an der Universität akademische Jahre sind, macht mir nach wie vor manchmal Angst. Ich glaube aber, dass man sich selbst Strukturen bauen kann, in denen es möglich ist auch launisch, leidenschaftlich und schnell zu arbeiten.

Wie hat Sie die AVL auf Ihre gegenwärtige Tätigkeit vorbereitet?

In der Münchner AVL habe ich geübt eine gute Leserin und Autorin zu sein. Ich glaube, dass man es nicht lernt ohne es ständig zu machen und dass es keine Abkürzung dieses Prozesses gibt. Ich habe mich im letzten Jahr meines Masterstudiums für die Promotion entschieden, weil ich wissenschaftlich noch nichts geleistet hatte. Ich wollte und will ein intelligentes Buch schreiben, das nicht von sogenannten Bildungsbürgern für die eigene Klasse geschrieben ist und das den Test der Zeit besteht.

Was ist ansonsten das Wichtigste, das Sie während des Studiums gelernt haben?

Die Einsicht, dass Literatur und Kultur im weitesten Sinne nicht sogenannten „Eliten“ vorbehalten, sondern als Begriffe auf eine Vielfalt gesellschaftlicher Phänomenen produktiv anwendbar sind. Dass alles Wissen sozial gemacht, narrativ, rhetorisch und metaphorisch durchdrungen und umkämpft ist. Dass es oft erhellend sein kann selbstverständlich gewordene Kategorien auf ihre Genealogien und Konjunkturen hin zu befragen. Dass „Universität“ ein seltsamer Ort mit hauseigenen Machtstrukturen ist, über den es sich lohnt nachzudenken. Dass man sich nicht des Dilettantismus schämen muss, wenn man breitgefächerte Interessen hat, sondern diesen Enthusiasmus als Perspektivenreichtum und gesunde Skepsis den allzu eingefahrenen Methoden der eigenen Disziplin gegenüber positiv wenden und ertragreich machen kann. Dass im geisteswissenschaftlichen Schreiben Verantwortung und gesellschaftsveränderndes Potential liegt.

Was am Studium der AVL in München ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Vor allem ist mir das soziale Leben meines Studienalltags in Erinnerung geblieben. Außerdem einzelne Seminare, in denen in das Gefühl hatte, etwas ein bisschen besser verstanden zu haben. Ganz bestimmte Lektüren.

Wenn heute Ihr erster Studientag wäre – gibt es etwas, das Sie anders machen würden?

Ich würde, gerade am Anfang, noch schamloser und noch lustgesteuerter nach allen Seiten hin ausstreuen, den Grenzen des deutschen Bachelor trotzen, wo ich kann. Es ist, glaube ich, ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass das Fächerspektrum der LMU dieses Ausschwärmen so leicht macht. Ich würde mich vielleicht auch um eine hilfswissenschaftliche Arbeit bemühen.