Lehrstuhl für Komparatistik
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Materialien 1: Übersetzungen

Übersetzung Christian Heinrich Postel

Weil noch der Sonnen Gold mit allen Strahlen weichet
Dem ungemeinen Glantz auf deinem schönen Haar.
Weil noch vor deiner Stirn der Liljen Silber-Schaar
In blasser Furcht und Scham die weissen Segel streichet.
Weil noch das Sähnen nach den Nelcken sich nicht gleichet
Der brünstigen Belgier nach deiner Lippen Paar.
Ja weil dem Halse noch des Mamors blancke Wahr
Mit allem Schimmer nicht einmahl das Wasser reichet /
Laß Haare / Halß und Stirn und Mund gebrauchet sein /
Eh‘ das was in dem Lentz der Jugend war zu ehren
Vor Gold / vor Lilien / vor Nelcken / Mamorstein /
Sich wird in Silber-grau und braunen Veilgen kehren.
Ja eh‘ du selbst dich mit dem Hochmuth dieses Lichts
Verkehrst in Erde / Koht / Staub / Schatten / gar in Nichts.

aus: Gutzen, Dieter/ Rüdiger, Horst (Hrsg.): Epochen der deutschen Lyrik. Übersetzungen nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge, Bd. 1, München: DTV 1977, S. 16.


Übersetzung von Susanne Lange

Solang sich will mit deinen Locken messen
das Gold und strahlt vergebens in der Sonne,
solang sich deine weiße Stirn im Stolze
die Lilie ansieht mitten auf dem Felde,

solang nur Augen deine Lippenkelche
noch lieber pflücken als die Nelkenknospen,
solange deinem stolzen Hals das Vorrecht
gebühre über des Kristalles Helle:

genieße Locken, Hals, Haar, Stirn und Lippe,
bevor, was einst in goldner Zeiten Licht
Kristall war, Nelke, Gold und Lilie,

nicht nur zu Silber oder Veilchen wird
verwandelt, nein, auch du und all die Dinge
zu Erd, zu Staub, zu Rauch, zu Schein, zu nichts.

aus: Anmerkungen zu Miguel de Cervantes‘ Don Quijote, übersetzt von Susanne Lange, München: Dtv 2011, S. 688.