Lehrstuhl für Komparatistik
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1) Fragen zum Text

Erschließen Sie sich das Gedicht Góngoras in einer genauen Lektüre. Wie spielen Inhalt und Form zusammen?

Kommentar:

Grundlegend für jede Interpretation ist eine genaue Lektüre und Auseinandersetzung mit dem Primärtext, ggf. mit einer Übersetzung und einem Wörterbuch. Dafür muss man den Inhalt genauso wie die Form in den Blick nehmen. Auch wenn wir versuchen, beides zu trennen, ist das eigentlich unmöglich – denn wir können uns einen Inhalt, wie etwa hier die Beschreibung einer Frau, nicht jenseits einer spezifischen sprachlichen Fassung, wie etwa hier im Vergleich zur Natur, vorstellen und dennoch kann sich das Verhältnis von Form und Inhalt so sehr unterscheiden wie ein Paar Strümpfe, nebeneinander liegend oder zusammengerollt. Es gilt also die eigene Aufmerksamkeit für das, was und wie es gesagt ist zu schärfen. In Gedichten untersucht man dafür etwa die spezifische Redesituation (Wer spricht wie zu wem?) genauso wie das Versmaß und die Syntax und deren Verbindungen zum Inhalt.
Auffällig ist, dass das gesamte Sonett aus einem Satz besteht, dessen syntaktische Wendung von ähnlich gebauten Nebensätzen („mientras que...“) zum Hauptsatz, einee Aufforderung („goza...“), in dem für die Form des Sonetts entscheidenden neunten Vers geschieht. Und genau hier wird auch etwas Wichtiges gesagt: Die Angesprochene wird zum Genuss ihrer zuvor gelobten Körperteile aufgefordert, ein Genuss, der wohlmöglich das sprechende Ich miteinschließt. Syntaktisch und metrisch besonders auffällig ist auch der letzte Vers, die Aufzählung von zweisilbigen, jeweils auf -o bzw. -a endenden Nomen, und auch hier findet sich eine entscheidende Aussage: Nämlich die Vorhersage oder Drohung, dass die bisher gelobte Schönheit der Frau vergehen wird. Wie schnell das gehen mag, das führt der Vers klanglich vor: der Elfsilbler verschleift hier jeweils den Vokal des Wortendes und das folgende „en“. So beschleunigt das Gedicht auf sein Ende hin und unterstreicht damit klanglich das Tempo der Vergänglichkeit und die Eile der Hingabe.